Sonntag, 27. März 2016

Stiller Fanatismus (14)


Angesichts ihres narzißtischen und asketischen Charakters sowie des Mechanismus der Identifizierung, die ihnen allen zugrundeliegt, können wir nun die vier weiter oben skizzierten Haltungen (die Haltungen „gewöhnlicher Subjekte“ der Arbeit, der Sexualität und der Politik gegenüber sowie – viertens – jenes seltsame Beharren führender Politiker auf abstrakten Regeln) mit Pfaller als Formen des Bekenntnisglaubens bestimmen.

Das zusätzliche Merkmal fanatisch hatte sich uns aber nur im vierten Fall, der Regelhörigkeit der Politiker, aufgedrängt.

Im folgenden will ich zeigen, daß die Zuschreibung fanatisch auch den drei zuerst genannten Haltungen - oder Bekenntnisformen - zukommt. Auch wenn der Fanatismus im Bekenntnisglauben „gewöhnlicher Subjekte“ (an ihre sexuelle Identität, an ihre Arbeit oder an den Idealen ökologischer oder politischer Korrektheit) weniger offen zutage treten, also „stiller“ sein mag, als jener im Glauben an die Regeln der Austeritätspolitik.

Zunächst: der Fanatismus in den asketischen Haltungen politischer Führer ist nicht deshalb offensichtlicher als jener in den Haltungen „gewöhnlicher Subjekte“, weil es sich bei den ersteren um politische Führer handelte. Es geht also nicht um den Unterschied zwischen Eliten einerseits und „gewöhnlichen Subjekten“ andererseits - sondern um den zwischen der Identifizierung mit Regeln auf der einen und anderen Formen des narzißtisch-asketischen Bekenntnisglaubens (Identifizierung mit der Arbeit, Fokussierung auf sexuelle Identität, narzißtisch geprägte Formen politischer und ökologischer Korrektheit) auf der anderen Seite.

Die Frage müßte also eigentlich lauten: Warum ist gerade der Glaube an resp. die Identifizierung mit Regeln - im Unterschied zu den anderen drei geschilderten Modi der Identifizierung – so offensichtlich „fanatisch“?

Bestimmten wir etwa die Identifikation eines Vertreters der Austeritätspolitik mit den Regeln derselben als Bekenntnis, dann glaubt der Träger dieses Bekenntnisses daran, daß die Austerität zu einer Stärkung der griechischen Wirtschaft und zu einer Verbesserung der Lage der Menschen führen würde. Der Glaube an jene Regeln bestimmt also seine Sicht auf die Realität. Für die Menschen in Griechenland hingegen, deren Leben seit Jahren von der Austeritätspolitik bestimmt wird, sind die Auswirkungen derselben nicht segensreich - sondern desaströs.

Jene mit den Regeln der Austeritätspolitik identifizierten Politiker glauben also an eine andere Realität als die von ihrer Politik betroffenen Menschen. Und es ist offensichtlich dieser – blinde – Glaube, der uns veranlaßt, und berechtigt, diese ihre Haltung als fanatisch zu bezeichnen.

wird fortgesetzt

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