Montag, 29. Juni 2015

Tolerieren, Respektieren, Glauben. Warum wir glauben - und es nicht wissen (10)


Robert Pfaller

Das Unbehagen am Kapitalismus, das wir weiter oben mit dem Wunsch, an „das Gute im Islam“ zu glauben, in Verbindung gebracht haben, können wir nun also – präziser – als das Unbehagen am Bekenntnisglauben bestimmen.

In seinem Buch „Die Illusionen der anderen“ verweist Robert Pfaller auf einen für uns interessanten Zusammenhang zwischen der Lustökonomie des Bekenntnisglaubens und Phänomenen wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Die dem Bekenntnis immanente asketische Versagung erzeuge zwar eine eigentümliche Lust an der asketischen Unlust. Diese Lust sei aber - weil unbewußt - nicht erfahrbar. Bekenntnisgläubige müßten daher „das eigene ‚Glück’ nach außen projizieren, es [...] bei anderen Leuten – vorzugsweise Fremden [ansiedeln], die dafür gehaßt und beneidet werden.“ (Hervorhebung von mir).“1

Die Phantasien des Rassisten kreisen stets um das Verhältnis des Fremden zum Genießen – und zum Verzicht.2

So war der Jude für den Nationalsozialisten3 entweder der soziale Parasit, der auf Kosten des „Wirtsvolkes“ (sprich: des deutschen Steuerzahlers) lebte, also genoß ohne zu verzichten - und dabei dem Deutschen den Genuß stahl. Oder er war, umgekehrt, der asketische Geizhals, der auf das Genießen verzichtete, sich raffgierig und erbarmungslos zum Kapitalisten hinaufarbeitete, um den Deutschen auszubeuten - und ihn so wiederum um seinen Genuß zu bringen.

Daß der Wunsch jener weltoffenen Zeitgenossen, „den Islam“ zu respektieren, derselben unbewußten libidinösen Logik folgen soll wie rassistische Ressentiments, mag verwundern. Versteht sich doch der weltoffene, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse als deklarierter Gegner rassistischer Hetze gegen Migranten aus Ländern mit islamischer Bevölkerungsmehrheit – einer Hetze, die er „Islamophobie“4 nennt.

Um allerdings zwischen der Position jener Zeitgenossen, die „den Islam“ (zu) respektieren (wünschen) und der - ihr scheinbar entgegengesetzten – Position des Rassisten, der gegen Migranten aus islamisch geprägten Ländern hetzt, eine Verwandtschaft zu erkennen, müssen wir nicht in die Untiefen psychoanalytischer Libidotheorie hinuntertauchen. Ein wenig Kratzen an der Diskursoberfläche genügt.

Der weltoffene, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse bezeichnet den Rassismus von Pegida, FPÖ und Co. zu recht als Rassismus. Darin, daß er diesen Rassismus Islamophobie nennt – oder Islamfeinschaft – drückt sich aber, unbemerkt, eine zutiefst rassistische Position aus: Die Feindschaft gegen den – oder die Angst vor dem - Islam als „rassistisch“ zu bezeichnen, macht nur dann Sinn, wenn wir zwischen der (imaginären) Kategorie „Rasse“ und dem Bekenntnis zum Islam einen unauflöslichen Zusammenhang behaupten würden. „Rassistisch“ könnte „Islamophobie“ nur dann sein, wenn wir „den Islam“ zur unauflöslichen, quasi „rassischen“ Eigenschaft von Türken, Arabern oder Iranern erklären.

wird fortgesetzt

1 Robert Pfaller, Die Illusionen der anderen, Frankfurt a.M. 2002, S. 236

2 Siehe auch: Slavoj Zizek, Mehr-Genießen, Wien 2000, S. 92

3 Antisemitismus ist natürlich, wie Detlev Claussen richtig feststellt, nicht bloß „eine Unterabteilung des Rassismus“ (siehe: http://www.zag-berlin.de/antirassismus/archiv/39claussen.html). Die Libidoökonomie des Rassisten und des Antisemiten sind allerdings strukturanalog.

4 Zur Kritik des Begriffs „Islamophobie“ siehe auch: Mit dem Begriff Islamophobie gehen wir den Rassisten auf den Leim, Interview mit Sama Maani, MALMOE, 12. Mai 2015

http://www.malmoe.org/artikel/widersprechen/2987

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